Die von Pflegebedürftigen zu zahlenden Eigenanteile für die Heimpflege steigen in Thüringen ungebremst. Die im ersten Heimjahr fälligen monatlichen Zahlungen aus eigener Tasche liegen nach Pflegekassenzahlen nahe 3.000 Euro. Konkret waren es zum 1. Juli 2.909 Euro, wie aus einer Auswertung des Verbandes der Ersatzkassen hervorgeht. Im Juli 2024 hatten hiesige Pflegeheimbewohner noch 2.649 Euro beizusteuern. Heimpflege in Thüringen ist teurer als in den anderen ostdeutschen Flächenbundesländern, aber günstiger als in Westdeutschland.
Altersrente reicht oft nicht für Eigenanteil
«Die Eigenbeteiligung der Pflegeheimbewohner steigt kontinuierlich an und
ist den Versicherten in diesen Größenordnungen nicht mehr zumutbar», erklärte der Leiter des Thüringer Ersatzkassen-Landesverbandes, Robert Schöning. «So hohe Renten hat keiner», sagte Martin Gebhardt, Vorstandsmitglied beim Thüringer Landespflegerat, der Deutschen Presse-Agentur. Zur Einordnung: In Thüringen erhalten Frauen und Männer nach 45 Rentenversicherungsjahren im Schnitt 1.491 Euro Rente monatlich, wie jüngst aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Dietmar Bartsch hervorgegangen war.
Im bundesweiten Durchschnitt haben die Eigenanteile für das erste Heimjahr die Grenze von 3.000 Euro durchbrochen, Pflegebedürftige hatten demnach im Schnitt 3.108 Euro pro Monat aufzubringen. In der Summe ist zum einen der Eigenanteil für die reine Pflege und Betreuung enthalten. Hinzu kommen noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung sowie Investitionen und Ausbildungskosten in den Einrichtungen.
Ausgewertet wurden den Angaben zufolge Vergütungsvereinbarungen der Pflegekassen mit Heimen in allen Bundesländern. Zum Ersatzkassenverband gehören etwa die Techniker Krankenkasse, die Barmer und die DAK-Gesundheit.
Kostenanstieg trotz Entlastungszuschlägen
Seit 2022 gibt es neben den Zahlungen der Pflegekasse auch Entlastungszuschläge für die reinen Pflegekosten. Die Höhe der Zuschläge hängt von der Dauer des Heimaufenthalts ab. Im ersten Jahr werden die Pflegekosten um 15 Prozent gedrückt, im vierten Jahr um 75 Prozent. Zum 1. Juli waren auch mit diesem höchsten Zuschlag in Thüringen demnach noch 1.814 Euro aus eigener Tasche fällig, 133 Euro mehr als vor einem Jahr.
Im Freistaat gibt es nach Zahlen der Thüringer Gesundheits- und Pflegeplattform 355 vollstationäre Pflegeeinrichtungen mit rund 26.600 Plätzen (Stand 2024).
Höhere Eigenanteile auch Folge von höheren Gehältern
Die höheren Eigenanteile seien nicht zuletzt eine Folge höherer Gehälter für das Pflegepersonal, sagte Pflegerat-Vorstandsmitglied Gebhardt. «Die bessere Bezahlung ist aber gewollt, um Pflegeberufe attraktiver zu machen», stellte er klar. Zugleich sei die Zahl der Pflegebedürftigen enorm gestiegen. Mit den Kostensteigerungen dürften Pflegebedürftige nicht allein gelassen werden. «Wir müssen auf lange Sicht für eine Finanzierung sorgen, durch die Heimbewohner nicht zum Sozialfall werden.»
Der Ersatzkassenverband hält eine grundlegende Reform für zwingend notwendig. «Wir brauchen eine Pflegereform, die diesen Namen auch verdient», sagte der Leiter des Thüringer Ersatzkassen-Landesverbandes Schöning.
Die Pflegeversicherung trägt - anders als die gesetzliche Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten, die bei Pflegebedürftigkeit anfallen. Den Rest müssen die Pflegebedürftigen selbst aufbringen. Reicht ihr Geld dafür nicht, springt in der Regel die Sozialhilfe ein. Massiv steigende Eigenanteile, die über Sozialhilfe finanziert werden, sind daher auch ein großes Problem für die öffentlichen Haushalte.
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