Seit Juli 2021 bietet der Glücksspielstaatsvertrag einen einheitlichen Rechtsrahmen für alle deutschen Bundesländer zu den Themen Online Casinos, Sportwetten, virtuelle Automatenspiele und sogar einen Teil des herkömmlichen Glücksspiels. Doch mit der Evaluationsklausel in Paragraf 32 des Staatsvertrags wurde schon von Anfang an festgelegt, dass die Länder nach einigen Jahren Bilanz ziehen und bei Bedarf nachsteuern müssen. Dieser Moment kommt nun näher, denn er steht zum 31. Dezember 2026 an.
Die bundesweite Überprüfung gilt dabei nicht nur als formaler Schritt, sondern als möglicher Ausgangspunkt für ein umfassendes Reformpaket, das häufig bereits als Glücksspielgesetz 2026 bezeichnet wird.
Damit rückt ein Jahr ins Zentrum, das für die Länder zu einer Weichenstellung werden könnte und für Thüringen besonders relevant ist. Denn der Freistaat steht an der Schnittstelle zwischen streng reguliertem terrestrischem Glücksspiel, einer sich dynamisch entwickelnden Online-Landschaft und wachsenden Anforderungen an Prävention und Vollzug.
Thüringens Ausgangslage im föderalen Glücksspielrahmen
Thüringen verfügt über eine eigenständige Glücksspiel- und Spielhallenregulierung, die in den vergangenen Jahren mehrfach angepasst wurde. Der stationäre Bereich, insbesondere die zahlreichen Spielhallen im Land, unterliegt klaren Vorgaben zu Mindestabständen, Zertifizierungspflichten und Betriebskonzepten. Die Regelungen sind nicht nur ordnungsrechtlich bedeutsam, sondern beeinflussen auch kommunale Entwicklungsstrategien und die wirtschaftliche Situation vieler Betreiber.
Parallel dazu hat sich seit 2021 der legale Online-Markt etabliert, der mit bundesweit gültigen Lizenzen arbeitet und deren Anbieter unter anderem bei Pokerstrategy zu finden sind. Thüringer Nutzer greifen auf denselben regulierten digitalen Markt zu wie Verbraucher in anderen Ländern. Die Überwachung dieses Sektors erfolgt zentral, während der Freistaat weiterhin eigene Schwerpunkte in der Suchtprävention und im Vollzug setzt.
Ein Reformjahr wie 2026 berührt beide Ebenen unmittelbar. Änderungen auf Bundesebene, beispielsweise in Fragen der Werberegulierung, der technischen Überwachung oder der Spielerschutzmechanismen, werden in Thüringen sowohl organisatorisch als auch finanziell spürbar werden. Ebenso wirkt jede Verschärfung oder Lockerung bei Spielhallenanforderungen auf die kommunale Praxis zurück.
Welche Fragen jetzt im Mittelpunkt stehen
Die Evaluierung des Glücksspielstaatsvertrags wurde eingeführt, um Wirkungsdaten zu erheben und Fehlentwicklungen frühzeitig zu korrigieren. In den Mittelpunkt rücken nun mehrere Kernfragen.
Erstens geht es um die Stärke und Schwäche der Kanalisierung. Das erklärte Ziel des Vertrags besteht darin, Spieler vom illegalen Markt in legale Angebote zu lenken. Ob die bisherigen Regelungen, also zum Beispiel Einsatzlimits, Werbebeschränkungen oder die zentrale Spielerkonto-Architektur, hierfür ausreichen, wird derzeit intensiv diskutiert.
Zweitens stellt sich die Frage, wie wirksam der technische Vollzug gegenüber nicht lizenzierten Online-Angeboten tatsächlich ist. Modelle wie eine stärkere Einbindung von Domain-Registraren, strengere Sperrmaßnahmen oder modernisierte Überwachungssysteme sind bereits Teil bundesweiter Überlegungen.
Drittens rückt die Verzahnung zwischen terrestrischen und Online-Angeboten in den Blick. Während der digitale Sektor wächst, kämpfen stationäre Betriebe mit hohen Auflagen und teilweise sinkenden Margen. Ob 2026 eine Neujustierung dieses Gleichgewichts bringt, könnte entscheidend dafür sein, wie viele Standorte in Thüringen langfristig wirtschaftlich arbeiten können.
Regionale Besonderheiten und Herausforderungen
Thüringen bringt für das Reformjahr mehrere Besonderheiten mit. Der Freistaat verfügt über einen vergleichsweise hohen Anteil von Spielhallen pro Einwohner, insbesondere in Mittel- und Kleinstädten. Diese Betriebe sind zugleich Arbeitgeber, Gewerbesteuerzahler und Bestandteil kommunaler Wirtschaftsstrukturen.
Die Abstandsregeln, die Anforderungen an Konzepte für verantwortungsvolles Spielen und die Zertifizierungspflichten haben die Landschaft bereits stark verändert. Viele Betreiber mussten umbauen, sich neu ausrichten oder Standorte zusammenlegen. Sollte 2026 zu einer weiteren Verschärfung führen, müssten Kommunen und Betriebe erneut prüfen, wie der Übergang sozialverträglich gestaltet werden kann.
Auch im Bereich der Prävention ist Thüringen aktiv. Beratungsstellen, Aufklärungsprojekte und Schulungsprogramme für Personal sind in den vergangenen Jahren gewachsen. Ein bundesweites Reformpaket könnte diese Struktur stärken oder neue Standards einführen, die zusätzliche Ressourcen erfordern.
In der digitalen Sphäre wiederum wird erwartet, dass seriöse Informationsportale und unabhängige Wissensquellen eine größere Rolle spielen. Auch dies könnte Teil einer breiteren Kanalisierungsstrategie werden.
Politische und wirtschaftliche Auswirkungen der Änderungen
Die politischen Diskussionen deuten darauf hin, dass 2026 eine Neuabstimmung zwischen Verbraucher- und Spielerschutz, Marktöffnung und Regulierungstiefe erfolgen könnte. Für Thüringen ergeben sich daraus mehrere mögliche Auswirkungen.
Erstens könnte es zu Änderungen bei der länderspezifischen Glücksspielaufsicht kommen. Sollte der Bund oder die Länder eine stärkere Zentralisierung von Vollzugsinstrumenten beschließen, müsste Thüringen seine Strukturen anpassen.
Zweitens ist denkbar, dass technische Lösungen, etwa neue Schnittstellen zur Überwachung lizenzierter Angebote oder erweiterte Datenauswertungen, verpflichtend werden. Dies würde sowohl staatliche Stellen als auch Anbieter mit zusätzlichen Anforderungen konfrontieren.
Drittens wird der terrestrische Sektor direkt betroffen sein. Eine bundesweit einheitlichere Regelung zu Abständen, Übergangsfristen und Zertifikaten könnte dazu führen, dass im Freistaat manche Standorte schließen müssen, während andere stabil bleiben oder sich neu positionieren können. Kommunen müssten hier möglicherweise städtebauliche Konzepte anpassen, da Glücksspielbetriebe häufig Konzentrationseffekte in bestimmten Straßen oder Quartieren erzeugen.
Viertens könnten Werbevorgaben und Transparenzpflichten erweitert werden. Dies hätte Einfluss auf regionale Medien, Sponsoringstrukturen und Anbieter, die in Thüringen präsent sind oder um Nutzer im Land werben.
Wie Thüringen sich auf das Reformjahr vorbereiten kann
Auch wenn die konkreten Inhalte des Reformpakets noch nicht feststehen, kann Thüringen bereits verschiedene Schritte einleiten.
Eine solide Datengrundlage ist entscheidend. Erhebungen zu Spielverhalten, Nutzungsmustern und Präventionsbedarf im Freistaat könnten künftig stärker in bundesweite Empfehlungen einfließen. Die bestehenden Strukturen in der Suchtprävention bieten hier bereits Anknüpfungspunkte.
Daneben ist eine enge Abstimmung zwischen Kommunen, Landesregierung und Betreiberverbänden sinnvoll, um realistische Übergangsszenarien zu entwickeln. Ziel muss sein, soziale und wirtschaftliche Auswirkungen planbar zu halten.
Schließlich könnte Thüringen das Reformjahr nutzen, um die eigene Rolle im föderalen Glücksspielgefüge sichtbarer zu gestalten. Die Erfahrungen des Landes, etwa bei der Umsetzung strenger Abstandsregeln oder der Vernetzung von Präventionsangeboten, können wertvolle Bausteine für die kommende nationale Strategie liefern.