Der geschäftsführende Ministerpräsident und Linke-Politiker Bodo Ramelow sieht im Falle einer Patt-Situation bei der Wahl seines Nachfolgers keine Unsicherheiten bei der Auslegung der Verfassung. «Der dritte Wahlgang ist genau so, dass Mario Voigt dann gewählt ist», sagte Ramelow der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. Einst sah die Thüringer CDU im dritten Wahlgang verfassungsrechtliche Probleme, nun könnte sie selbst betroffen sein.
Thüringens CDU-Chef Voigt ist derzeit dabei, eine Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD zu schmieden. Voigt könnte noch vor Weihnachten zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Seine Wunsch-Koalition hat im Parlament aber nur 44 der 88 Sitze.
Auslegung der Verfassung
Voigt kann bei einer Ministerpräsidentenwahl also nicht mit einer absoluten Mehrheit rechnen, die jeweils in den ersten beiden Wahlgängen nötig wäre. Im dritten Wahlgang ist laut Thüringer Verfassung gewählt, wer am meisten Stimmen erhält. Seit Jahren wird in Thüringen darüber diskutiert, ob ein Kandidat im dritten Wahlgang auch dann gewählt ist, wenn er mehr Nein- als Ja-Stimmen erhält und es keinen Gegenkandidaten gibt. Die CDU hatte dies in den vergangenen Jahren immer wieder in Frage gestellt.
Wenn Voigt im Dezember als neuer Ministerpräsident kandidiert, ist im dritten Wahlgang denkbar, dass er 44 Ja- und 44 Nein-Stimmen erhält, wenn die Abgeordneten von Linke und AfD mit Nein stimmen. Nach CDU-Lesart der vergangenen Jahre könnte ein solches Ergebnis Fragen aufwerfen.
Ramelow sagte dazu: «Ich habe immer gesagt, die CDU wird mir zutiefst dankbar sein, dass ich diese Lesart immer abgelehnt habe.» Er sei von der CDU zu diesem Thema immer wieder angegriffen worden. «Es ist immer nur eine Behauptung gewesen, es ist immer nur politisches Geschäft gewesen. Ich fand das unwürdig dem Amt des Ministerpräsidenten und der Verfassung gegenüber», sagte Ramelow.
Unklar ist bisher, ob die AfD ein Patt-Ergebnis im dritten Wahlgang vor dem Thüringer Verfassungsgerichtshof überprüfen lassen würde. Voraussetzung wäre, dass sie selbst im dritten Wahlgang keinen eigenen Kandidaten aufstellt. Die AfD war bei der Landtagswahl erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft geworden. AfD-Fraktionsvize Daniel Haseloff sagte, es sei noch nicht entschieden, ob die AfD mit einem eigenen Kandidaten an den Start geht. «Wir halten uns alle Optionen offen.»
Voigt zuversichtlich
Voigt warnte davor, der AfD eine Bühne zu geben. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte er: «Wir alle sollten es vermeiden, der AfD erneut eine Bühne zu geben, die Demokratie und das Parlament wie schon 2020 verächtlich zu machen.»
Bei der Wahl 2020 war der FDP-Politiker Thomas Kemmerich überraschend mit Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Der damalige AfD-Kandidat erhielt dagegen keine Stimme. Kemmerich nahm die Wahl an, trat nach großer Empörung aber wenige Tage später zurück. Voigt sagte nun, bei allen politischen Differenzen müsse es für jeden das Wichtigste sein, Stabilität für Thüringen zu erreichen. Er sei zuversichtlich, dass im dritten Wahlgang die relative Mehrheit zustande kommen werde.
Die Thüringer Linke dagegen machte klar, dass noch offen ist, wie sich ihre Abgeordneten verhalten werden und ob die Fraktion einen eigenen Kandidaten für einen möglichen dritten Wahlgang aufstellen wird. «Es gibt keine Entscheidungen dazu bisher», sagte die Thüringer Linke-Co-Chefin Ulrike Grosse-Röthig.
Noch kein Termin
Die Linken erwarten von Voigt ein Gespräch. «Und zwar nicht auf dem Gang, da muss man sich schon mal in Ruhe in die Augen schauen», sagt Grosse-Röthig. Dabei müsse über die Wahl des Regierungschefs ebenso gesprochen werden wie über die Verabschiedung des Landeshaushalts 2025 und darüber, wie die Fraktionen im Landtag zu Mehrheiten ohne die AfD kommen könnten.
«Es muss niemand erwarten, dass wir Geschenke verteilen», sagte sie. Linke-Co-Chef Christian Schaft sagte, ein Gespräch der vier Parteien sei die Grundlage dafür, «nicht unvorbereitet in diesen Wahlgang zu gehen».
Einen Termin für die Ministerpräsidentenwahl gibt es noch nicht. Ein Sprecher der Thüringer SPD-Fraktion signalisierte, dass man eine solche Wahl erst nach einem SPD-Mitgliederentscheid über den Entwurf zum Brombeer-Koalitionsvertrag auf die Tagesordnung des Landtages setzen will. Die Thüringer SPD-Mitglieder können noch bis zum 9. Dezember um 12.00 Uhr darüber entscheiden.
Den Angaben nach müsste zur MP-Wahl sieben Tage im Voraus eingeladen werden; in besonders zu begründenden Ausnahmefällen sei auch eine Einladung mit einer Frist von nur 48 Stunden möglich. Angesichts dieser Vorgaben könnte eine Ministerpräsidentenwahl also frühestens am 12. oder 13. Dezember erfolgen.
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